Alternativtext

Chronik

Obst, Garten und Weinbauvertein Heidelberg-Rohrbach e.V.

Rohrbach lebte über Jahrhunderte hinweg fast ausschließlich von der Landwirtschaft. Neben Ackerbau war vor allem auch der Weinbau hier zuhause.
Das Rebgelände umfasste rund 175 Morgen Land. Mitte des 19. Jahrhunderts brach sich jedoch das Maschinenzeitalter immer mehr Bahn, so dass sich von nun an viele Rohrbacher in den Fabriken ihr Brot verdienten. Die Landwirtschaft als Haupterwerbszweig wurde abgelöst durch die Beschäftigung in Industrie und Handel. Ein hoher Prozentsatz dieser Arbeiter, Angestellten oder Beamten betrieb jedoch nebenbei noch Landwirtschaft und Weinbau, was teilweise heute noch der Fall ist. Nachdem ab Mitte des 20. Jahrhunderts durch Bebauung von Kasernen, Wohn- und Industriegebieten der Erwerbslandwirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes der Boden entzogen wurde, wird heute einzig noch der Weinbau von drei Weingütern im Haupterwerb betrieben. Diese werden jedoch nach wie vor von einigen engagierten „Feierabendwinzern“ unterstützt, um die große Tradition des Rohrbacher Weinbaus zu erhalten und mit ihrem „Hobby“ dazu beizutragen, dass die Menschen in unserer technisierten und hektischen Welt den so wichtigen Kontakt zur Natur nicht verlieren. Vereint sind alle diese Weinfreunde im Obst, Garten und Weinbauverein Heidelberg-Rohrbach e.V.

Der Verein blickt auf ein traditionsreiches fast neunzigjähriges Bestehen zurück. In den Anfangsjahren der Vereinsgeschichte stand die fachliche Weiterbildung und Interessenvertretung der ansässigen Landwirte im Vordergrund. Bedingt durch die Neuordnung und Reduzierung der landwirtschaftlichen Nutzflächen auf Rohrbacher Gemarkung entwickelten sich immer mehr Nebenerwerbsbetriebe. Mit dem Wandel der Zeit und der Bedürfnisse änderten sich auch die Aufgaben des Vereins. Heute stehen Themen wie Heimatpflege, das Erleben des Rohrbacher Landschaftsbildes und die damit verbundene Tradition des Weinbaus im Mittelpunkt der Vereinstätigkeit.

Chronik des Vereins

1927 war Rohrbach noch eine selbständige Gemeinde mit vorwiegend ländlicher Bevölkerung. Außer der „Fuchs Waggonfabrik“ war keine größere Industrie angesiedelt, sondern Bauern machten den größten Teil der Bevölkerung aus. Die Rohrbacher Ortsgruppe des Bezirks-Obst- und Gartenbauvereins war der Vorläufer des Rohrbacher Obst- und Weinbauvereins. Kreisbauernrat Brucker hielt bereits 1919, nach seiner Versetzung nach Heidelberg, als er seinen ersten Flurgang über die Rohrbacher Gemarkung machte, in seinem Tagebuch fest, dass der Obstbau auch damals schon sachkundig und erfolgreich betrieben wurde. Weinbau war ebenfalls vorhanden, allerdings wurde noch keine Sortenauswahl betrieben. Und Edelreben im heutigen Sinne wurden noch kaum angepflanzt. Im Februar 1927 wurde nach mehreren vorbereitenden Beratungen anlässlich einer gut besuchten ObsterzeugerVersammlung, die im Bürgersaal des Rathauses von Herrn Bürgermeister Christian Bitter geleitet wurde, der Obst- und Weinbauverein Rohrbach ins Leben gerufen. Zum Vorstand wurde Bürgermeister Christian Bitter gewählt.

Mit der Gründung des Vereins erfuhr die Obst- und Weinbauförderung einen starken Auftrieb. Im Jahre 1928 zählte man auf der Rohrbacher Gemarkung 21.000 Obstbäume, im Jahre 1951 waren es fast 49.000. Daraus erkennt man den Tatendrang und den Eifer, den die Pioniere in Rohrbach entwickelt haben, um den ansässigen Bauern zu höherem Einkommen zu verhelfen. Diese Tradition setzte der Obst- und Weinbauverein zum Wohle seiner Mitglieder und der Gemeinde fort. Im Jahre 1933 wurde vom Kreis Heidelberg die Gemarkung Rohrbach zur Abhaltung der geplanten Lehrgänge für Baumwarte ausgewählt. Dies konnte nur geschehen, weil vorbildliche Anlagen vorhanden waren. Dass die Vorbereitungslehrgänge für die Baumwartprüfung und die Prüfung selbst über ein Jahrzehnt hier in Rohrbach stattfanden, war für die Rohrbacher Obstbauern in vielerlei Hinsicht vorteilhaft, schon weil für sie die Anfahrten fortfielen. Viele tüchtige Rohrbacher Baumwarte wurden damals mit Unterstützung des Vereins hier ausgebildet.

Nach Bürgermeister Bitter, der den Verein fast sieben Jahre leitete, und Philipp Förster, der fünf Jahre 1. Vorsitzender war, hat am 26. Januar 1938 Leonhard Heck die Vereinsführung übernommen. Herr Heck leitete den Verein in einer besonders bewegten und spannungsreichen Zeit. Trotzdem waren in seiner fast 10-jährigen Vorstandstätigkeit ein großer Aufschwung und hervorragende Aktivitäten festzustellen. Als Herr Heck nach dem Krieg als Landesverbandsvorsitzender der Badischen Obst- und Gartenbauvereine größere Aufgaben übernehmen musste, wurde Herr Stief gewählt. 1949 folgte Herr Sauder als Vereinsvorsitzender. Er gab nach drei Jahren den Vorsitz an Herrn Kirsch ab, der den Verein bis 1958 führte. Nach einer kurzen Überganszeit von einem Jahr – als Vorsitzender wurde Ludwig Kriechbaum bestätigt – übernahm Hans Kaltschmitt 1959 den Verein als 1. Vorsitzender und so sollte es viele Jahrzehnte bleiben.

Der Verein erlebte mit Hans Kaltschmitt einen bemerkenswerten Aufschwung und konnte einen starken Mitgliederzuwachs verzeichnen. Man erkannte vor allen Dingen, dass durch die zwangsläufige Einfuhr von ausländischem Obst und auch Wein eine Situation erwachsen war, die dem einzelnen Erzeuger Schwierigkeiten bereitete, die er alleine zu überwinden nicht in der Lage war. Außerdem waren die Ansprüche der Verbraucher gestiegen, und der Erzeuger musste eine besonders sorgfältige Sortenauswahl treffen, um die Kundenwünsche befriedigen zu können. Der Verein stand immer als Vorbild und Leitstern im hiesigen Obst- und Weinbau allen Interessenten zur Verfügung. Für den Verein war es selbstverständlich, dass er sich den verändernden Verhältnissen anpassen musste. Neue Erkenntnisse beim Baumschnitt mussten den Mitgliedern demonstriert werden. Jährliche Schnittkurse auch für Nichtmitglieder wurden zum festen Jahresprogramm und in vorbildlichen Anlagen in unserer Gemarkung abgehalten. Auch eine Herbstordnung wurde durch den Verein vorangetrieben. Heute tragen die Weinberge in der Rohrbacher Gemarkung hochwertige Traubensorten, die sich mit den besten in Deutschland messen können.

Durch den Zuwachs an Mitgliedern in den 60er Jahren wurde es möglich, größere Lehrfahrten zu bekannten Obst- und Weinbaugebieten zu organisieren. Zahlreiche Fahrten z.B. nach Geisenheim, Augustenberg, Weinsberg und die Ortenau sowie Limburgerhof, Klein-Karlbach und vieles mehr zeugen von dem Interesse der Mitglieder sich weiterzubilden, um neue Erkenntnisse im eigenen Obst- und Weinberg in die Tat umzusetzen. Auslandsfahrten in die Schweiz, nach Frankreich, Südtirol, Ungarn und in andere Länder dienten dem Zweck, den Mitgliedern Vergleichsmöglichkeiten mit den Anbaumethoden und Absatzintensivierungen der besuchten ausländischen Kollegen zu bieten. Es konnten gleichzeitig viele menschliche Bande geknüpft und dadurch ein Beitrag zur Völkerverständigung geleistet werden. Aber auch innerhalb des Vereins haben die Lehrfahrten und mehrtätigen Ausflüge das Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe enorm gestärkt. Die Mitglieder sind zu einer großen Familie zusammengewachsen. Es entstanden enge Freundschaften, die zum Teil bis heute noch bestehen.

Wahrscheinlich hat dieses Gemeinschaftsgefühl, dieser Zusammenhalt, den Verein dazu ermutigt, beginnend mit dem 50-jährigen Vereinsjubiläum große Veranstaltungen durchzuführen – nicht nur für die eigenen Mitglieder, sondern für die breite Öffentlichkeit zugänglich. So hat der Obst- und Weinbauverein ein paar Jahre auf dem Gelände der Volksbank Kurpfalz (Rathausstraße Ecke Herrenwiesenstraße) vor der Neubebauung die Rohrbacher Kerwe ausgerichtet, noch bevor es einen eigenen Kerweplatz gab und sich andere Vereine beteiligt haben. Nachdem in den frühen 80er Jahren die Eichendorffhalle eingeweiht wurde, hat der Verein im November große festliche Weinproben organisiert, die anfangs sogar über drei Tage verliefen. Und im Sommer wurde das Rohrbacher Weinfest an der Eichendorffhalle gefeiert, das auch heute noch sehr beliebt ist. Zum 60-jährigen Vereinsjubiläum haben die Frauen des Obst- und Weinbauvereins den großen Weinbrunnen gestiftet, der bis heute das Markenzeichen des Vereins ist.

Im Jahr 1989 wurde Katja Clauer aus Rohrbach zur ersten Heidelberger Weinkönigin gewählt. Die Familie Clauer ist seit Jahrzehnten im Verein engagiert und eng mit dem Wein verbunden. Diese Tradition sollte auch in der Folge fortgeführt werden. Nachdem Katja Clauer 1997 ihr Amt nach acht Jahren niedergelegt hatte, setzte sich Hans Kaltschmitt dafür ein, dass Heidelberg wieder eine Weinköngin erhält. So wurde im Jahr 2000 Larissa Winter, ebenfalls aus den Reihen des Obst- und Weinbauvereins, anlässlich des großen Weinfestes im Thann’schen Hof zur neuen Heidelberger Weinkönigin gekrönt.

2002 wurde mit einem großen Bankett in der Festhalle von Heidelberg Cement in Leimen das 75-jährige Bestehen des Obst- und Weinbauvereins gefeiert. In diesem Jahr gab Hans Kaltschmitt, der den Verein über 40 Jahre lang geführt und geprägt hat, aus gesundheitlichen Gründen den Vorsitz ab und Dr. Günter Fuhrken wurde als sein Nachfolger zum 1. Vorsitzenden gewählt.

Mit den neuen Strukturen in Rohrbach wurde auch der Verein vor eine neue Aufgabe gestellt: Viele bäuerliche Betriebe sind verschwunden und neue Wohngebiete sind entstanden. Kaum ein Einfamilienhaus oder sogar Wohnblock kommt heute ohne Vorgarten oder Rasenanlage aus. Bepflanzungen mit Zierbäumen und Ziersträuchern sind in der Regel überall vorhanden. Und so kam auch das Interesse auf, über Pflege und Schnitt Gärtengehölze zu unterrichten, um die grüne Lunge der Stadt lebendig zu erhalten.

Dr. Günter Fuhrken stand altersbedingt nur für eine Wahlperiode als 1. Vorsitzender zur Verfügung und so wurde 2006 Dr. Erich Dickler zum 1. Vorsitzenden des Obst- und Weinbauvereins Heidelberg-Rohbach gewählt. Zwei Jahre zuvor war er bereits zum 1. Vorsitzenden des Kreisverbandes für Obst, Garten und Landschaft gewählt worden.

Nachdem das Thema Garten bereits Einzug in die Aktivitäten des Obst- und Weinbauvereins gehalten hat, wurde der Begriff „Garten“ im Jahr 2007 offiziell in den Vereinsnamen mit aufgenommen. Dieser lautet seitdem Obst, Garten und Weinbauverein Heidelberg-Rohrbach e.V.

Über alle Jahrzehnte hinweg hat sich der Verein nicht nur zum Wohl seiner Mitglieder, sondern zum Wohl von ganz Rohrbach eingesetzt: Waren es unter Hans Kaltschmitt beispielsweise die Pflege der Schulgärten der Eichendorffschule sowie der Internationalen Gesamtschule, hat Dr. Erich Dickler sich stark engagiert, als die Maßnahmen im Rahmen des Sanierungs-gebietes Rohrbach erarbeitet wurden. Ihm haben wir die grünen Brücken im Ortskern zu verdanken, die gepflanzt wurden, um Rohrbachs Charakter eines Weindorfes wiederherzustellen. Und als in der Vorstandschaft die Idee geboren wurde, einen Weinwanderweg in Rohrbach zu entwickeln, war er sofort Feuer und Flamme und hat das Projekt angestoßen. Da sich der Gesundheitszustand von Dr. Erich Dickler leider überraschend zum Schlechten gewandelt hatte, hat er Larissa Winter mit diesem Projekt betraut. Sie war damals noch im Amt der Heidelberger Weinkönigin und als Beirätin auch im Vorstand des Obst, Garten und Weinbauvereins vertreten. Als Graphik-Designerin war sie prädestiniert für die Umsetzung des Erlebniswanderwegs Wein und Kultur – wie ihn Dr. Erich Dickler getauft hat. In Kooperation mit der Stadt Heidelberg und dem Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald und vor allem durch die Unterstützung zahlreicher Sponsoren konnte im Mai 2013 bereits der erste Abschnitt des Erlebniswanderwegs realisiert werden.

Larissa Winter ist schließlich ganz in die Fußstapfen von Dr. Erich Dickler getreten und hat ab 2013 den Vorsitz des Vereins übernommen. Das Amt der Heidelberger Weinkönigin hat sie nach 13-jähriger Amtszeit abgegeben und im Rahmen eines großen Weinfestes wurde Katrin Klein, deren Familie ebenfalls stark im Obst, Garten und Weinbauverein verwurzelt ist, zur neuen Heidelberger Weinkönigin gekrönt.

2014 wurde der zweite Abschnitt und 2015 der dritte und letzte Abschnitt des Erlebniswanderwegs eingeweiht. Der Wanderweg umfasst nun rund acht Kilometer, fünf Einstiegspunkte und 27 Informationstafeln. Mittlerweile erfreut er sich reger Beliebtheit in der Bevölkerung: Besucher von nah und fern wandern in den Rohrbacher Weinbergen, das Veranstaltungsprogramm Natürlich Heidelberg bietet Themenführungen an und einmal jährlich kommen mehrere tausend Besucher zur großen Weinwanderung, bei der zahlreiche Informations-, Aktions- und natürlich auch Weinstände die Strecke beleben.

2016 ist ein besonderes Jahr für Rohrbach und damit auch für den Obst, Garten und Weinbauverein Heidelberg-Rohrbach e.V. Wie schon vor 50 Jahren engagieren wir uns mit Freude am Festwochenende und haben auch über das ganze Jahr hinweg ein paar besondere Veranstaltungen anlässlich des Stadtteiljubiläums organisiert.